Zum Halali
der Schleppjagd
gibt es Küsschen
und Sekt
Bedienung
Von Dirk Kühn (Text und Fotos)
Andreas Schäfer (Videos)
und Silke Brebeck (Helmkamera)
Lisa Heissenberg (Technik und Gestaltung)
Die Bedienung erfolgt über die Pfeile am rechten unteren Rand des Bildschirms oder über die Richtungstasten auf Ihrer Tastatur. Sollten Sie diese Präsentation auf einem Touchscreen betrachten, können Sie auch einfach mit dem Finger in die entsprechende Richtung wischen.
Drücken Sie rechts, um zum nächsten, links, um zum vorigen Thema zu gelangen.
Gibt es zu einem Thema weitere Inhalte, gelangen Sie über den nach unten weisenden Pfeil dazu und über den nach oben weisenden wieder zurück.
Jagdhörner erklingen auf Gut Warxbüttel bei Schwülper, Kreis Gifhorn. 61 Reiterinnen und Reiter, 23 Hunde und rund 300 Zuschauer werden auf dem Hof der Familie Schulte Uemmingen begrüßt, schmettern ein lautstarkes „Horrido“ – zu einer ganz besonderen Jagd, zu der der Reit- und Fahrverein Papenteich eingeladen hat.
Zur Bildstrecke
Hundegebell bahnt sich den Weg, durchschneidet die Stille im Wald. Eichen, Buchen und Birken in den Katzenbergen bei Didderse sind goldgelb gefärbt. Hin und wieder schiebt sich die Sonne durch das Novembergrau.
Das Gebell wird lauter, klingt fest entschlossen. Dann preschen die Hunde ums Eck, auf die Wiese. Einer, zwei, vier, immer mehr. In vollem Tempo. 23 Hunde sind der Wildsau auf der Spur, haben nichts anderes im Sinn, als der Fährte zu folgen – sie führt sie vom Gut Warxbüttel in Richtung Okeraue fast bis Hillerse, durch die Felder bei Rolfsbüttel, über Wiesen bei Adenbüttel.
Nur führt sie nicht zur Wildsau. Die gibt es nämlich gar nicht. Bei dieser Herbstjagd stirbt kein Wild, fällt kein einziger Schuss. Die Hunde folgen einer Spur aus Anislösung, gelegt von zwei Reiterinnen. Anne Henne und Katrin Badenhop-Klatte. Diese Jagd ist eine Schleppjagd.
Die Niedersachsen-Meute ist unterwegs. 23 Foxhounds, kniehohe, agile Jagdhunde, meist braun-schwarz gefleckt, oft weiß an Brust und Beinen. Keine Hunde für die enge Stadtwohnung, schon gar nicht für Anfänger. Sie sind freundlich im Charakter, haben ein feines Wesen, aber eben einen ausgeprägten Beutetrieb.
Mehr Infos zur Niedersachsen-Meute, Video & Bildstrecke
23 Meuten gehören dem Bundesverband der Deutschen Schleppjagdvereinigung an. Eine davon ist die Niedersachen-Meute. Eine ganz besondere. Ihr Zuhause liegt in Dorfmark, zwischen Soltau und Bad Fallingbostel, an der A7.
Nahe der Autobahn – das ist ein Vorteil, zumindest mit Blick auf die Einsätze der Foxhound-Meute.
Rund 65 Veranstaltungen stehen für Hunde, Master und Pikeure jährlich im Terminkalender. 35 davon sind Schleppjagden. Vergangenes Wochenende auf dem Gut Warxbüttel, an diesem Wochenende in Hermansburg und Thedinghausen, danach in Oldenburg und in der Nähe von Verden. Niedersachsen ist eben Reiterland! Meute-Reiterland!
Die Niedersachsen-Meute ist ein eingetragener Verein mit mehr als 800 Mitgliedern. Und mit eigenem Wappen: Auf grünem Grund gelbe gekreuzte Hannoveraner-Köpfe, davor ein Foxhound, darüber die Initialen NM.
„Wir züchten alle Hunde selbst“, erklärt Max Sponagel. Er ist einer von sieben Mastern der Niedersachsen-Meute. Mehr als zehn Meutejagden hat der Rechtsanwalt und angehende Notar in diesem Jahr schon geführt. Er kennt jeden der 45 Foxhounds. „Ja, wir Master kennen jeden Namen“, so Sponagel.
Auch aus größerer Entfernung sollte jeder einzelne Hund erkannt werden. „Das ist wichtig, wenn mal ein Hund allein abseits von der Meute jagt, damit wir wissen, ob es ein erfahrener und alter Hund ist, der zurück zur Meute findet oder es ein junger unerfahrener Hund ist, auf den wir Master und Pikeure Acht geben müssen.“ Junge Hunde seien hin und wieder verunsichert und kommen nicht allein zur Meute zurück. „Dann müssen wir sie abholen und ihnen Vertrauen geben“, erklärt der Master.
Seine Großeltern Christian und Sigrid von Loesch waren es, die die Niedersachsen-Meute 1951 mit zwei Hunden der Meute der einstigen hannoverschen Kavallerie-Schule, der alten Verdener-Meute und einer Hündin der Paderborner-Meute gründeten.
Heute gilt die Niedersachsen-Meute als eine der ältesten in Europa. „Die Blutlinie kann bis 1381 zurück verfolgt werden“, erklärt Sponagel. Selbst Friedrich der Große jagte mit Ahnen der Niedersachsen-Meute.
1964 folgte der Umzug nach Dorfmark auf den Meutehof. Dort leben die Foxhounds, dort werden sie ausgebildet und trainiert. Die jüngste Tochter der Familie von Loesch, Cosima von Schultzendorff, führt den Hof zusammen mit ihrem Mann Egbert seit 35 Jahren. Sie hat die Verantwortung für die gesamte Meute, wird unterstützt von den Söhnen Leonard und Casimir.
Deshalb ist die Geschichte der Niedersachsen-Meute immer auch eine Geschichte der Familie von Loesch und ihrer vier Töchter: Carmen Sponagel, die Mutter von Max oder genauer Maximilian, Camilla von Dungern, Constanze Stahlberg und Cosima von Schultzendorff.
Und so ist auch Camill Freiherr von Dungern, in der Region um Braunschweig bekannt als langjähriger persönlich haftender Gesellschafter der Wolfenbütteler Privatbank C.L. Seeliger, als Schwiegersohn der Gründerfamilie mit der Niedersachsen-Meute eng verbunden. Von Dungern ist ebenfalls Master – wie auch seine Tochter und Sponagels Cousine Celestina Löbbecke aus Hornburg, Kreis Wolfenbüttel. Sie ist die Schleppjagd in Warxbüttel ebenfalls mitgeritten.
„Wir sind familiär, nicht elitär“, sagt Sponagel. Das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Jagdreitern sei sehr groß. Das bestätigt auch Mechthild von Lucke. Es gehe „wahnsinnig familiär auf den Meutejagden zu.“
Zunehmend übernehme die dritte Generation Verantwortung. „Langfristig werden also voraussichtlich wir fünf Enkel Leonard, Casimir, Celestina, Cosimo von Dungern und ich Master sein“, erläutert der 38-Jährige. Großgeschrieben wird im Verein auch die Jugendarbeit. Um die 80 junge Reiterinnen und Reiter nehmen jährlich an den Jugendlehrgängen teil.
Jugendwart Paul von Schultzendorff dazu: „Ich möchte die tollen Erlebnisse, die ich selber in meiner Kindheit bei den Jugendlehrgängen erleben durfte, an die nächste Generation weitergeben.“
Mehr Informationen:
Max Sponagel weiß das nur allzu gut, er kennt seine Meute, kennt jeden Hund beim Namen. Aufgewachsen auf dem Reiterhof Sponagel in Oelerse, Kreis Peine, ist er mit Foxhounds groß geworden. Und natürlich mit Pferden. Er ist der Master, trägt einen roten Jagdrock mit weißer Armbinde, ein Reitfrack, darüber eine Schutzweste.
Der 38-Jährige gibt die Schleppjagd frei, führt das Reiterfeld an, führt die Hunde, ruft sie mit seinem kleinen Huntinghorn zusammen, hilft, wenn sie mal auf der falschen Fährte sind. Doch mit Vigo, dem Kopfhund der Meute, passiert das selten. „Er ist immer sehr sicher, schnell auf der Fährte und gibt Laut, so dass er den Rest der Meute sicher zum Schleppenende führt“ erzählt der Master.
Sponagel reitet einen Holsteiner: Hot Legs. Der Name passt. „Gute Jagd“ ruft er den Reiterinnen und Reitern zu, „Gute Jagd“ schallt es zurück. Dem Master zur Seite stehen drei Pikeure. An diesem Sonntag sind es Madeleine Wätjen aus Halchter, Kreis Wolfenbüttel, Cathrin Westendorff und Elke Martsch. Sie helfen, die Hunde zu führen, halten die Meute zusammen, kümmern sich um die Ausreißer.
Zur Bildstrecke
Zu den Begriffen
Kleiner Zweig, der dem Reiter am Ende der erfolgreich absolvierten Jagd überreicht wird. Bis zum dritten November, Hubertustag, ist er meist aus Eiche, danach aus Tanne oder Fichte.
Umtrunk an den Stopps, der nach alter Sitte im Sattel eingenommen wird, meist wird allerdings Mineralwasser getrunken.
Es gibt bei einer Meutejagd eine Vielzahl von Aufgaben, wie zum Beispiel die springende Abteilung zu führen oder das nicht springende Feld. Jeder Reiter, der eine Aufgabe übernimmt, ist an einer entsprechenden Armbinde erkennbar und gehört zu den Chargen.
Belohnung der Hunde nach der Jagd, meist Rinderpansen.
Besteht aus Master und Pikeuren sowie Schlepper und Meute.
Auch Schleppe genannt, siehe dort.
Bezeichnung für die verschiedenen Formationen bei der Reitjagd. Meist Equipage, springendes Feld, nicht springendes Feld.
Reitjagd ohne Hunde, bei der ein Reiter den Fuchs markiert, hinter dem die Jagd geritten wird.
Das Ende der Jagd, auch Jagdruf zum Ende.
50 Zentimeter langer Peitschenstiel mit einem zwei Meter langen Schlag. Dient den Pikeuren und dem Master zum Führen der Meute. Wird nur selten eingesetzt, meist reicht das Heben der Peitsche.
Jagdruf zu Beginn der Schleppjagd.
Organisator, Gastgeber einer Jagd. Auf Gut Warxbüttel war es Mechthild von Lucke für den Reit- und Fahrverein Papenteich.
Jede Meute hat einen Kopfhund. In Warxbüttel heißt er Vigo.
In Deutschland ist die Meute in Koppeln aufgeteilt. Zwei Hunde bilden eine Koppel. In Warxbüttel waren also 11,5 Koppeln am Start, 23 Hunde.
Anführer eines Jagdfeldes und Leiter einer Meute, erkennbar durch weiße Armbinde am rechten Oberarm. In Warxbüttel hatte diese Aufgabe der aus Oelerse stammende Max Sponagel.
Formation der bei einer Schleppjagd eingesetzten Hunde.
Gehilfe des Masters, unterstützt ihn dabei, die Meute zu führen.
Duftnote der Wildfährte. Jede Meute ist auf einen speziellen Duft trainiert, die Niedersachsenmeute folgt einer Anislösung, die aus präparierten Satteltaschen der Schleppenleger tropft.
auch Schleppenleger, das sind die Reiter, die die künstliche Fährte oder Schleppe legen.
Reitjagd hinter der Meute auf einer künstlichen Fährte, bei der die Meute Weg und Tempo bestimmt.
Sammelplatz der Jagdteilnehmer vor Beginn der Jagd, diesmal auf dem Gut Warxbüttel der Familie Schulte Uemmingen zwischen Adenbüttel und Groß Schülper.
Erholungspause für Meute, Pferde und Reiter nach einer oder mehreren Schleppen.
Los geht’s im Galopp. 61 Pferde, 244 Hufe donnern über den Heideboden. Der Hundemeute hinterher. Auf einer Wiese die ersten Hindernisse, Baumstämme. Der Atem schnellt hoch, der Puls steigt. Die Reiter fliegen darüber.
Tilmann Sachs liebt dieses Gefühl, fast „wie ein Schweben durch eine wunderschöne Natur“, sagt er. Dazu das besondere Zusammengehörigkeitsgefühl von Hunden, Pferden und Reitern. „Diese wunderbare Harmonie ist der Kern des Jagdreitens, schwärmt er. Auch die Aufregung gehört dazu, das Adrenalin. „Das ist ein Gefühl, das man sonst nur ganz, ganz selten haben kann im Sport.“
Zur Bildstrecke
Die Reiter preschen über die Wiese, biegen ab, verschwinden im Wald, folgen der Niedersachsenmeute, dem Bellen der Hunde. Knapp 20 Kilometer durch den Wald, über Wiesen, Felder, querfeldein.
Gleich hinter der Equipage, dem Master und den Pikeuren reitet Silke Brebeck aus Hamburg. Mit ihrem selbst gezogenen achtjährigen Hannoveraner Wallach Magic Moods. Sie führt die springende Abteilung an, trägt für alle erkennbar eine grüne Armbinde – und eine Helmkamera.
Irgendwo mittendrin reitet Mechthild von Lucke. Sie ist die Jagdherrin, trägt einen grünen Jagdrock mit weiß-schwarz-weißer Armbinde. Sie reitet eine fünfjährige Hannoveraner Stute, mit roter Schleife am Schweif. Das heißt: Vorsicht, Pferd schlägt aus. Von Lucke hat die Schleppjagd für den Reit- und Fahrverein Papenteich organisiert. Auch sie ist passionierte Jagdreiterin, ist mit 18 erstmals eine Schleppjagd geritten. „Recht spät, normalerweise gibt’s schon am Führzügel den ersten Kontakt zur Meute“, sagt sie schmunzelnd.
Eigentlich sollte ihr Sohn Philipp das erste Feld der springenden Abteilung führen. Doch sein Pferd lahmt, darf nicht geritten werden. Das ist reiterliches Selbstverständnis. Überhaupt ist Rücksichtnahme oberstes Gebot. Zwischen den einzelnen Schleppen warnt Mechthild von Lucke die Reiter vor dem nächsten Teilstück, eine Wiese mit tückischen Bodenwellen. Das Wohl der Tiere steht ganz oben. „Das ist das Wichtigste“, sagt sie, „dass alle Hunde, Pferde und Reiter heil und fröhlich ankommen.“
Deshalb werden während der Schleppjagd immer wieder Pausen gemacht, damit Pferde und Hunde verschnaufen können, Kräfte sammeln. Und die Reiter auch. In der Okeraue bei Hillerse trifft die Meute auf die Jagdgäste. Mit Treckergespannen sind sie vorausgefahren, 13 Anhänger. Auch das gehört zur Schleppjagd.
Zum Video
Zur Bildstrecke
Zum ersten Mal dabei ist Dorothea Kohrs aus Meine: „Es ist ein besonderes Erlebnis.“ Sie hat ihre Enkeltöchter dabei. Jella (10) und Jannike (8). „Ich finde es sehr, sehr schön. In Berlin gibt es das halt nicht. Toll, dass Oma und Opa hier wohnen“, freut sich Jella. Sie sitzen auf Strohballen auf dem Treckeranhänger, juchzen bei jeder Kurve, haben Spaß. So wie die anderen etwa 300 Gäste auch.
Die Fahrt geht zurück Richtung Gut Warxbüttel. Auf einer Wiese lodert ein Lagerfeuer, ein kleiner Tisch mit Sektgläsern steht bereit. Hermann Niebuhr wartet mit der Bläsergruppe des Hegerings Schwülper. Aus der Ferne ist das Hundegebell zu hören. Die Meute kommt über das kurze Gras geflogen, dahinter der Master, die Pikeure, die Reiter. Durchatmen. Alle sind wohlauf. Entspannung in den verschwitzten Gesichtern. Sie loben ihre Pferde, streichen über die Mähne, den Hals.
Zeit für das Halali. Die Reiter streifen den rechten Handschuh ab, schütteln sich die Hände, beglückwünschen sich zur erfolgreichen Jagd. Der Master übernimmt die Regie, lässt absitzen. Die Bläsergruppe stimmt das „Halali“ an.
Die Jagdherrin verteilt den Bruch an die Reiter. Ein kleiner Fichtenzweig, Jagdtradition eben. Dazu gibt es ein Gläschen Sekt, Küsschen und Umarmungen, herzliche Worte, fast familiär. Nicht nur fast. „Jagdreiten ist eine Passion, wahnsinnig familiär geprägt“, sagt Mechthild von Lucke. „Es ist kein Wettbewerb, es gibt keinen Sieger.“
Alle haben gewonnen.
Glücklich und zufrieden ist auch Silke Brebeck. „Es war total schön, total gut“, erzählt sie und freut sich vor allem, weil ihr recht junges Pferd erstmals von Anfang bis Ende im springenden Feld geritten ist.
Noch einmal der Master. Er dankt Hunden, Pferden und Reitern. „Halali, Halali“ ruft Max Sponagel ihnen zu. „Halali, Halali“ schallt es von den Reitern zurück. Ein letztes Mal an diesem Tag stehen die Hunde im Mittelpunkt. Jetzt bekommen sie ihr Dankeschön. Das Curée.
Zur Bildstrecke
Im großen Halbkreis versammeln sich die Reiter mit ihren Pferden. Die Equipage, der Master und die Pikeure, halten die 23 Foxhounds noch zurück. Dann ein Handzeichen. 23 Hunde stürmen los, diesmal nur ein paar Meter, bis zum Rinderpansen, um den sie sich balgen. Verdiente Belohnung für die Niedersachsenmeute, letztes Signal der Bläser: „Jagd vorbei“.
Fast. In der Reithalle wartet auf Reiter und Gäste das Jagdessen. Und die Jagdkritik. Sie fällt gut aus. Für Jule Petersen aus Meine und Joane Methner aus Warxbüttel, beide 12 Jahre alt, wird sie unvergesslich. Die beiden sind ihre erste Schleppjagd geritten, sind stolz wie Oskar und müssen nach vorn kommen. Vor der ganzen Gesellschaft werden sie mit Schleppflüssigkeit beträufelt. Anisgeruch macht sich breit. Dafür gibt’s für die beiden einen Meutebecher als Andenken und Aufmunterung, noch viele Meutejagden zu reiten. So sind sie, die Jagdreiter, eine fröhliche, familiäre Meute!